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Gesundheitsmanagement als Führungsaufgabe (Teil 1)

Aktualisiert: 31. März

Die steigende Komplexität und der zunehmende Druck am Arbeitsplatz machen Stresskompetenz – die Fähigkeit, mit Stress gut umzugehen – zu einem entscheidenden Erfolgsfaktor in der heutigen Arbeitswelt.  Denn nur wer gesund ist, kann langfristig leistungsfähig bleiben.


Wenn sich Unternehmen also aktiv um das Wohlbefinden ihrer Beschäftigten kümmern, profitieren sie doppelt:


Gesunde Mitarbeitende sind motivierter, produktiver und seltener krank. Fehlzeiten sinken, die Arbeitsqualität steigt – und damit auch der Unternehmenserfolg.

 

Auch die Stadtwerke Schwerin haben erkannt, wie wichtig dieser Zusammenhang ist. Die letzten Jahre waren in der Energiewirtschaft von großen Herausforderungen geprägt. Besonders gefordert waren die Bereiche, die mit Kunden direkt zu tun hatten. Deshalb haben sie uns mit einer Workshopreihe zum Thema „Resilient und stressfreier im Arbeitsalltag“ für beauftragt, um konkret etwas für ihre Mitarbeitenden zu tun.


Miriam Hagner-Collett, Trainerin im Coltos-Team, hat die Workshops durchgeführt. Im folgenden Interview gibt sie Einblicke in ihren Werdegang und warum Führungskräfte so eine große Verantwortung beim betrieblichen Gesundheitsmanagement (BGM) haben.

Bewegte Mittagspause
Betriebliches Gesundheitsmanagement: Bewegte Mittagspause

Miriam, du bist unsere Expertin für Betriebliches Gesundheitsmanagement. Wie bist du zu diesem Thema gekommen und warum hast du dich darauf spezialisiert?


Puh, das geht jetzt ganz weit zurück :-) Ich war ein sehr ausgeglichenes Kind, aber ein unglaublich gestresster und perfektionistischer Teenager. Deshalb habe ich mit Anfang 20 dann erste Meditationsübungen gelernt, Tai Chi und Qi Gong ausprobiert und auch mit Yoga angefangen.


Dann habe ich eine Ausbildung zur Rettungsassistentin gemacht und knapp sieben Jahre in der Schweiz im Rettungsdienst gearbeitet – da war es wichtig, in Extremsituationen Ruhe zu bewahren. Zum Betrieblichen Gesundheitsmanagement habe ich dann während des anschließenden Studiums der Gesundheitspädagogik gefunden. Zeitgleich habe ich eine Ausbildung zur Yogalehrerin gemacht und dann Yoga unterrichtet.


Betriebliches Gesundheitsmanagement klang für mich im Studium erstmal langweilig – doch auf einmal merkte ich: Hey, das sind genau meine Themen! Hier geht es um Stressbewältigung, psychische Belastungen am Arbeitsplatz, Ergonomie und Rückengesundheit – um nur einiges zu nennen. Dann habe ich ein Praktikum in diesem Bereich gemacht und die Faszination hat mich bis heute nicht losgelassen. Es ist noch ein relativ junges Wissenschaftsfeld, das sich schnell entwickelt. In meiner Arbeit kann ich sehr kreativ sein und diesem wichtigen Thema zur nötigen Aufmerksamkeit verhelfen.


Du arbeitest seit 14 Jahren in diesem Bereich. Was ist heute anders als zu Beginn deiner Tätigkeit? Was hast du im Laufe der letzten Jahre in den Unternehmen beobachtet?


Miriam Hagner-Collett
Miriam Hagner-Collett

Nun, zunächst wurde die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung 2013 ins Arbeitsschutzgesetz aufgenommen. Das hat einiges verändert: Die Betriebe waren auf einmal verpflichtet, sich mit dem Thema Stress zu beschäftigen bzw. zu analysieren, welche Stressoren es gibt und wie sie diese verändern können. In den ersten Jahren war die große Frage:


WIE machen wir das?


Hierzu habe ich als Beraterin inzwischen sehr viel Erfahrung und Routine und kenne die typischen Stolpersteine in diesem Prozess.


In den letzten Jahren kam immer häufiger die Frage auf: WAS können wir tun, welche Schutzmaßnahmen sind sinnvoll? Aber auch hier gibt es inzwischen immer mehr Erfahrungswissen. Bei der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung stehen viele Betriebe derzeit eher vor der Herausforderung, das Ganze möglichst nachhaltig zu gestalten und z.B. auch eine Wirksamkeitskontrolle durchzuführen. Das ist übrigens viel einfacher als man denkt, weil man in der Praxis nicht allzu wissenschaftlich vorgehen muss.


Was ich außerdem beobachte: Das Thema Resilienz rückt in den letzten Jahren stark in den Vordergrund.  Mit Resilienz ist eine gewisse Krisenfestigkeit gemeint, also die Fähigkeit, auch an größeren Belastungen oder Veränderungen im Leben nicht zu zerbrechen. Wir alle hatten mindestens eine gemeinsame große Krise ab 2020 - die Coronakrise - , das könnte gut damit zusammenhängen.

 

Wenn Unternehmen noch kein BGM in ihrer Organisation verankert haben, was ist Deine Empfehlung?


Im Rahmen unserer Beratungsprojekte holen wir uns erstmal einen klaren Auftrag von der Geschäftsführung ab. Wir starten dann einen partizipativen Prozess und schaffen von vornherein eine hohe Akzeptanz für die Themen.


Die gesetzlichen Anforderungen, wie z.B. das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) oder das Durchführen von Gefährdungsbeurteilungen finden dabei natürlich Berücksichtigung und haben eine hohe Priorität. Und natürlich sind für die Mitarbeitenden vor allem Maßnahmen wünschenswert, die den Erhalt der Gesundheit fördern.


Gesunde Führung verlangt besondere Skills


Was können Führungskräfte generell tun, um ihre Mitarbeitenden in Sachen Stressvermeidung und Resilienzstärkung zu unterstützen? 


Ein partnerschaftlicher Führungsstil ist aus meiner Sicht das A und O. Ich erlebe immer wieder, dass die Führungskräfte vergessen, welchen großen Einfluss sie haben und wie sehr sie Orientierung bieten können. Sie können die Motivation ihrer Mitarbeitenden mit einem Satz zunichte machen – aber sie können sie auch aufbauen, motivieren, ihnen Vorbild sein und sie ernst nehmen. Die psychologische Sicherheit von der man heute spricht, ist wichtig für das das Wohlbefinden des Einzelnen und das Beziehungsmanagement im Team.


Die meisten Mitarbeitenden wünschen sich zum Beispiel, dass ihre Ideen gehört werden, das ist immer wieder ein ganz großes Thema. Und wenn die Führungskraft bei größeren privaten Krisen Verständnis zeigt, erzeugt das eine tiefe Dankbarkeit der Menschen.


Natürlich können die Führungskräfte darüber hinaus die Maßnahmen des BGMs fördern, indem sie Budget bereitstellen, eine Teilnahme ermöglichen und ggf. auch selbst daran teilnehmen. Wenn die Mitarbeitenden ihrer Führungskraft ehrlich sagen können, dass z.B. die Arbeitsmenge zu viel ist, dann ist schon viel gewonnen. Wenn jemand in Arbeit untergeht, sollte nicht an seiner oder ihrer Belastbarkeit gezweifelt werden. Wir alle haben unsere Grenzen.


Konflikte versiert meistern


Bei Konflikten ist oft die Unterstützung der Führungskraft gefragt. Hier braucht es Konfliktmanagementkompetenz, denn die wenigsten Führungskräfte sind ausgebildete Mediatoren. Diese Fähigkeiten werden in den Coltos-Leadership-Ausbildungen gestärkt.


Auch Teamentwicklungen zu Feedback- und Vertrauenskultur unterstützen, dass Konflikte gar nicht erst entstehen. Hier braucht es vor allem gute Methoden für die Meetingkultur, damit die Themen auf den Tisch kommen. 

 

Betriebliches Gesundheitsmanagement ist mehr als ein Seminar zum Stressmanagement

Was bewirken die Weiterbildungsmaßnahmen? Hast du konkrete Beispiele?


Mit Workshops erreicht man tolle Synergieeffekte im Team. Ein Workshop zu Themen wie Stressbewältigung, Resilienz oder auch Zeitmanagement sind gleichzeitig eine Teambuilding-Maßnahme, weil man sich ganz anders kennenlernt und das Vertrauen zueinander wächst.


Dabei ist die Arbeit in Präsenz auf jeden Fall sehr wichtig - je persönlicher, desto wirksamer. Wir sind nun mal Beziehungswesen.


Leadership-Know-how gefragt


Darüber hinaus halte ich ein Weiterbildungsangebot speziell für Führungskräfte für essenziell. Der Umgang mit Konflikten, das Führen schwieriger Mitarbeitergespräche oder auch die versierte Begleitung der Mitarbeitenden in Veränderungsprozessen erfordert professionelles Leadership-Know-how. Sich hier Unterstützung zu holen, ist auf jeden Fall empfehlenswert.


Überhaupt sehe ich in der Führungsqualität den größten Hebel. Diese hat sogar erwiesenermaßen Einfluss auf den Krankenstand.

 

Mit einer Lernreise nachhaltiges Lernen ermöglichen


Die Weiterbildungsmaßnahme haben wir in Form einer „Lernreise“ gestaltet, heißt, über einen Zeitraum von zwei Monaten, haben die Mitarbeitenden an vier Terminen mit dir zusammengearbeitet. Die Rückmeldungen waren sehr gut und die Teilnehmenden konnten für sich neue Impulse für ihren Arbeitsalltag mitnehmen, die sie bereits auch ausprobiert und umgesetzt haben. Was hat aus deiner Sicht zum Erfolg beigetragen?


Wenn wir nach einem Workshop wissen: „Ah, in soundsoviel Wochen sehen wir uns wieder und wir tauschen uns dann über unsere bisherigen Erfahrungen aus!“, dann sind wir viel motivierter, das Gelernte in den Alltag zu transferieren. Außerdem können wir gemeinsam über Hürden und Schwierigkeiten, aber noch viel wichtiger über Erfolge und gute Erlebnisse im nächsten Workshop sprechen.


Gerade wenn es um Verhaltensänderung geht, ist eine Lernreise über einen längeren Zeitraum mit mehreren Terminen sinnvoll.


Wir wissen ja alle aus eigener Erfahrung, wie lange eine kleine Verhaltensänderung braucht und wie schnell man sie auch wieder verlieren kann. Deshalb ist es wichtig dranzubleiben. Und da kann man sich natürlich im Team gut unterstützen. Im Austausch mit anderen können wir gut reflektieren und weiterlernen.


Die Gruppe der Stadtwerke, mit denen die Workshopreihe stattfand, hatte eine optimale Größe von 12 Teilnehmenden. Der Umgang untereinander war offen und vertraulich. Das hat natürlich auch zum Erfolg beigetragen.


Es war eine wirklich intensive und schöne Lernreise - auch für mich als Trainerin, die ich diese Gruppe begleiten durfte. Wir sollten nie vergessen: Gesundheit ist mit das Wichtigste und die Voraussetzung für Leistung, Zufriedenheit und ein erfülltes Leben. 

Liebe Miriam, herzlichen Dank für die Einblicke und das Teilen Deiner Erfahrungen und Erkenntnisse.

In einem nächsten Blogbeitrag berichtet Stefanie Homann, Gruppenleiterin im kaufmännischen Bereich der Stadtwerke, über ihre Erfahrungen mit ihrem Team. Seid gespannt.


 

 

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